Über Abschiede und Vergänglichkeit

Die Jahreszeiten wechseln wieder. Immer wenn auf den Sommer der Herbst folgt, bin ich anfällig für Abschiedsgefühle. Mit Wehmut lasse ich den Sommer ziehen und nehme Abschied.

Ich bemerke den Nebel am Morgen. Die Sonne scheint nur mehr kurz in meinen Hof. Sie ist mittags sehr warm, hat noch Kraft. Doch in der Früh´ und am Abend brauche ich eine Weste um nicht zu frieren. Wenn ich spazieren gehe nehme ich den modrigen Geruch von Trauben und Blättern wahr. Es wird schon zeitig dunkel.

Der Herbstbeginn hat durchaus seinen Charme und seine liebenswerte Qualität, wenn man sich ihm zuwendet. Ich finde es ist eine Bereicherung, dass wir in unseren Breiten verschiedene Jahreszeiten erleben dürfen.

Aber in diesem Jahr ist da noch etwas und das dürfte meine Wehmut verstärken. Wenn ich mich meinem Elternhaus nähere…

Spüre ich eine Enge im Hals, so als würden mir ungeweinte Tränen in der Kehle stecken. Im Herzbereich ist Schwere. Ich kenne die Empfindungen, so fühlt sich Trauer bei mir an.

Das hat mit dem baldigen Abschied von meinem alten Vater (96 Jahre) zu tun. Früher bin ich in freudiger Erwartung, die beiden „Oldies“ zu sehen, zum Mittagessen erschienen. Meine Mutter ist mir in ihrem blauen Schürzenkleid entgegen gekommen und hat mich umarmt. Papa war meist in der Küche und hat gekocht und wir haben ein paar schöne Stunden miteinander verbracht. Wo ist die gute Zeit geblieben? Warum kann es nicht wieder so sein?

Nun ist mir für gewöhnlich bang, wenn ein Besuch ansteht. Wie wird es Papa diesmal gesundheitlich gehen? Mama ist im Frühjahr verstorben. Ich möchte, dass es meinem Vater so gut wie möglich geht, bevor er seine letzte Reise antritt.
Ich begleite und bin Zeuge vom sehr Altsein und vom Abbau meines Vaters und es rührt mich an.

Abschiede und Tode konfrontieren uns mit der Vergänglichkeit. Uns alle, früher oder später. Ein emotional schwieriges Thema für die meisten. Die Endlichkeit verletzt unsere Vorstellung vom Fortschrittsdenken und von Machbarkeit, die unsere heutige Lebensweise prägt.
Die Achtsamkeit lehrt uns alle Gefühle um das Thema „Vergänglichkeit“ wahr und ernst zu nehmen. Sie mit allen Nuancen zu spüren und zu durchleben, auch wenn es schwer ist. Denn das Thema hat Wichtigkeit. Nur wir Menschen sind uns der Vergänglichkeit bewusst.
Ich meine, dass es von Vorteil ist, sich hin und wieder auch gedanklich damit zu beschäftigen. Besonders wenn ein Gefühl auftaucht, welches mit Abschied zu tun hat. Von Vorteil, weil wir darauf vorbereitet sind eines Tages alles verlassen zu müssen. Nichts Irdisches bleibt.

Auch lebt es sich anders in dem Bewusstsein, dass dieser Tag des Abschieds kommen wird. Die Lebenszeit wird wertvoller. Eventuell möchte man sie nicht mit unwesentlichen Dingen vergeuden. Wie unwichtig sind so manche unserer Sorgen angesichts des Endes?

Wie eine positive Lebenshaltung finden?

Dabei fällt mir ein symbolisches Bild aus Carlos Castanedas Buch „Die Lehren des Don Juan“ ein. Da ist der Tod ein schwarzer Vogel, der als weiser Ratgeber auf der Schulter sitzt und angesichts einer wichtigen Entscheidung befragt wird.

Ich bin bereits dabei mich der Vergänglichkeit und Endlichkeit mit einer positiven Haltung zu nähern, ohne das „Weh“ auszublenden.

Welchen Sinn lässt sich der Vergänglichkeit abringen?

Viktor Frankl, Begründer der Logotherapie meint:  „Der Tod ist ein unabänderbares Leid, das getragen werden muss. Aber es kann auf verschiedene Art getragen werden. Mit Zorn, Wut, Tränen, Rundumschlägen, aber auch mit Würde, Mut, in Geduld, in Annahme und Akzeptanz. Es ist die Verwirklichung der Einstellungswerte, in denen der Sinn geborgen ist.“
Frankl sagt auch, dass es für uns die höchste Leistung ist Einstellungswerte zu verwirklichen.

Als weiterer positiver Aspekt lässt sich anführen, dass angenommenes und durchgetragenes Leid den Menschen hellsichtig für Werte macht. Der im Leid gereifte Mensch ist oft „liebesbewusster“ als zuvor und dankbarer für die Kostbarkeiten des Lebens. Auch ist er sich der Zeitlichkeit bewusst, denn Lebenssituationen sind nicht wiederholbar.

Viktor Frankel findet auch tröstende Worte indem er sagt: „In der Vergangenheit ist alles Erlebte unverlierbar geborgen.“
Ich meine es lohnt sich in Ruhe darüber nachzudenken.

Was hilft uns Abschiede erträglich zu machen?

Abschiedsrituale geben uns einen sicheren Rahmen und eine Gestaltungsmöglichkeit um unsere Trauer zu leben. Sie helfen dabei einem Anlass Bedeutung zu geben und dem Verlust ins Gesicht zu blicken. Das ist ein erster Schritt in Richtung Akzeptanz.
Abschiedsrituale sind heilsam. Es geht darum das Ende in Dankbarkeit zu segnen um auch wieder einen neuen Anfang zu feiern.

Hier noch ein Hinweis auf das neue Buch der deutschen Philosophin Ina Schmidt: „Über die Vergänglichkeit. Eine Philosophie des Abschieds“

Hast du auch ein flaues Gefühl, wenn sich der Sommer dem Ende zuneigt? Schreib´ über deine  Abschiedserfahrungen und wie du sie bewältigt hast! Ich freue mich auf deinen Kommentar!